Im See vor Güttingen liegen Reste eines mittelalterlichen Turms und von bronzezeitlichen Pfahlbauten. Das Areal wurde auch in römischer Zeit genutzt. Taucharchäologinnen und Taucharchäologen untersuchten die Fundstellen besonders in den Jahren 2017-2020.
Auf einer inselartigen Untiefe vor dem Schloss Güttingen, etwa 240 m vom Ufer entfernt, liegt der sagenumwobene Mäuseturm. Von den Bauten haben sich im Wasser gut erkennbare, in einem Geviert von etwa 15 x 15 m angeordnete Pfähle und Schwellenhölzer aus dem 12. Jahrhundert erhalten. Funde wie ein liturgisches Silberglöckchen zeugen von der Bedeutung der Anlage.
Bei Vermessungsarbeiten 2008 wurden einige Pfähle auf der Untiefe beprobt und einzelne Hölzer dendrochronologisch in die Spätbronzezeit datiert. Ab 2017 bis 2020 wurde daher auch die Umgebung des Mäuseturms untersucht. Dabei stellten die Unterwasserarchäologinnen und Unterwasserarchäologen fest, dass sich hier ein etwa 1,5 Hektar grosses Pfahlfeld erstreckt. Gemäss den dendrochronologischen Analysen stammen die Pfähle mehrheitlich von Siedlungen zwischen 1100 und 930 v.Chr. Die stark verschliffenen Gefässscherben und Pfahlköpfe zeugen davon, dass die Siedlungsreste starker Erosion ausgesetzt sind. Zu den gut erhaltenen Funden zählen ein halbes Dutzend Bronzebeile und einzelne Nadeln.
Funde aus der Römerzeit
Die Untersuchungen erbrachten auch Funde aus der Römerzeit, darunter typische Keramik (Terra Sigillata) und Ziegel sowie wenige römische Hölzer. Bei der Unterwasserprospektion der weiteren Umgebung konnte etwa 150 m östlich des Mäuseturms ein kleines Pfahlfeld aus römischer Zeit (2./3. Jh. n.Chr.) entdeckt werden. Es zählt zu den wenigen Fundstellen im See aus dieser Zeit.
Silbernes Messglöckchen in der Kabinettsausstellung. Vom 5. Juni bis am 15. August 2021 wird im Museum für Archäologie Thurgau in Frauenfeld die Kabinettausstellung «Der sagenhafte Mäuseturm bei Güttingen» gezeigt. Die Fundstelle «Mäuseturm» liegt 240 Meter vor dem Ufer bei Güttingen im Bodensee auf einer kleinen Untiefe. In der Kabinettsausstellung werden zum ersten Mal zwei kleine bronzezeitliche Goldobjekte sowie das silberne Messglöckchen aus dem See zu sehen sein.
Von 2017 bis 2020 haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amts für Archäologie in jeweils mehrwöchigen Tauchgrabungen über 3000 Quadratmeter des Seegrunds vor Güttingen freigelegt und dokumentiert. Dabei kamen 2485 Bauhölzer sowie Funde aus Gold, Silber und Bronze zum Vorschein. Ein Teil dieser Fundstücke ist nun in der Kabinettsausstellung im Museum für Archäologie Thurgau in Frauenfeld zu sehen.
Die Taucherinnen und Taucher entdeckten ein grossflächiges, mehrphasiges Pfahlfeld aus der Spätbronzezeit. Als Bauholz verwendeten die Pfahlbauer vorwiegend Esche, Buche, Erle und Eiche. Die mit der Jahrringdatierungsmethode (Dendrochronologie) analysierten Pfähle aus Eiche datieren die Überreste der Häuser in die Zeit von 1138–936 v.Chr. Einige Pfähle sind durchlocht. In diesen sorgfältig behauenen Löchern steckten wohl horizontale Bauelemente von abgehobenen Hausböden. Sieben der sonst seltenen Lappenäxte aus Bronze und zwei gerippte Goldbleche unterstreichen die Bedeutung des ganzen Fundareals.
Schon länger war bekannt, dass auf der Untiefe Reste eines quadratischen Gebäudes liegen – der «Mäuseturm». Das Thurgauer Archäologenteam fand nun auch zwei schützende Pfahlreihen. Das 15 mal 15 Meter grosse Fundament aus der Zeit des 11. bis 12. Jahrhunderts wurde in Blockbauweise gefertigt. Den wohl unter Wasser liegenden Baugrund befestigte man zuvor mit Steinschüttungen. Fundmaterial aus dieser Zeit war spärlich. Das silberne Messglöckchen aus dem 9. bis 10. Jahrhundert mit der Darstellung der vier Evangelisten war die bedeutendste Entdeckung; dieser besondere Fund wird in der Kabinettsausstellung, die bis am 15. August 2021 geöffnet ist, erstmals ausgestellt.
Weitere Informationen und Filmmaterial unter https://archaeologie.tg.ch/fundstellen/ausflugsziele/weitere-fundstellen/guettingen-maeuseturm.html/8700
Wie der Mäuseturm zu seinem Namen kam
«Einst war eine grosse Teuerung im Lande. Da sorgten die Herren ringsum für ihre Leute und gaben ihnen Korn. Die Herren von Güttingen aber, deren Speicher reichlich mit Getreide gefüllt waren, verbarmten sich ihrer Angehörigen nicht. Sie selbst lebten in Saus und Braus. Als nun die Not immer grösser wurde, lief das Volk in Scharen zusammen und flehte die Herren um Brot an. Da lockten diese die bettelnden Leute in eine alte Scheune, liessen diese dann durch ihre Knechte schliessen und anzünden. Als die Unglücklichen laut wehklagten und um Erbarmen flehten, rief einer der Freiherren höhnend: Hört, wie die Mäuse pfeifen!
Alle Leute in der Scheune kamen in den Flammen um, aber diese grausame Tat blieb nicht ungestraft. Zahllose Mäuse belästigten alsbald die Burgen der Herren von Güttingen. Da flüchteten diese nach ihrer Wasserburg. Allein, auch dahin verfolgten sie die Mäuse und frassen sie bei lebendigem Leibe auf. Bald nach dem Tod der Herren von Güttingen versank die Burg in den See.»
Aus: Arnold Oberholzer, Thurgauer Sagen, 1912