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10.12.2024

Wenn aus Winter Wärme wird - Teil 10

Wenn aus Winter Wärme wird – ein Winterroman mit viel Liebe, Spannung und Drama.
Mit ihrem Winterroman ,,Wenn aus Winter Wärme wird " nimmt die Autorin Astrid Töpfner die Leser mit auf eine spannende Reise in die schneebedeckten Schweizer Berge. Tauchen Sie ein in die Winterstimmung mit viel Gefühl und Drama – mit dem Kreuzlingen24-Adventskalender.

15. Dezember

Kati

Martha trieb ihren alten Fiat im ersten Gang um die letzte Kurve und fluchte leise. Kati musste lachen, auch wenn sie dabei den von Steinbrocken mit Schneemütze und roten Stecken markierten Abhang zu ihrer Rechten nicht aus den Augen ließ.

»Soll ich die drei fragen, ob sie schieben?« Sie zeigte auf die Gruppe, die ihnen entgegenkam, dick eingemummelt. »Vielleicht haben wir unterwegs die Schneeketten verloren?«

»Sehr witzig«, murmelte Martha und schaltete in den zweiten Gang, als sie endlich auf dem Plateau angekommen und an den Fußgängern vorbeigerollt waren.

Erleichtert atmete Kati aus. »Ein neues Auto wäre mal nicht schlecht, oder? Mit der Kiste sind wir doch vor zehn Jahren schon nach Italien gefahren.«

Martha drehte den Zündschlüssel. »Bald, bald«, sagte sie und klang geheimnisvoll. »Und es wird definitiv was Größeres.«

»Was … Größeres?« Kati brauchte einen Moment, bis der Groschen fiel. »O mein Gott, bist du etwa …?« War das der Grund für den Wochenendtrip? Um ihre Schwangerschaft zu feiern?

»Nein«, beruhigte Martha sie, ein Leuchten auf ihrem Gesicht. »Noch nicht. Aber wir üben fleißig, du weißt schon.« Sie lachte und sah so glücklich aus dabei, dass Kati der Schweiß ausbrach und sie abrupt die Autotür öffnete und ausstieg.

»Alles in Ordnung?«, fragte Martha, die es ihr gleichtat.

»Klar«, log Kati. »Die stickige Heizungsluft zusammen mit den Kurven … Hör doch!« Sie legte eine Hand ans Ohr und lauschte.

»Ich hör nichts?«

»Eben!« Es war still. Dann ein Laut, eine Art Woosh, und Kati sah, wie eine Ladung Schnee von einer der ausladenden Tannen rutschte und die Zweige, von der Last befreit, nach oben schnellten. Ein Vogel flog zeternd davon, dann war es wieder ruhig. Und weiß. Und kalt, herrlich belebend. Sie liebte diesen Ort jetzt schon. Als sie sich zu Martha umdrehte, sah sie, dass diese sie mit einem verschmitzten Lächeln beobachtete.

»Wusste ich doch, dass es dir hier gefallen würde. Ich kenn dich eben in- und auswendig.«

»Du bist die Beste!« Andächtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Der Schnee knirschte unter den Sohlen ihrer dicken Stiefel, knirsch, knirsch machte es, es roch nach Nadelbäumen, nach Kaminfeuerrauch, nach eisiger Luft, und Kati wünschte sich, diesen Duft konservieren zu können, um ihn mit nach Hause nach Stuttgart zu nehmen. Da traf sie ein Schneeball am Hinterkopf und sie fuhr herum. Martha stand etwas abseits neben einem Schneehaufen und formte einen weiteren Ball, die Wangen bereits gerötet von der Kälte, Fröhlichkeit in den Augen.

»Na warte!«, rief Kati und lachte gelöst, heiter, und sie fühlte sich das erste Mal seit vielen Wochen leicht.

»Allegra!« Mit diesem Wort, das, wie Kati während der Autofahrt im Internet gelernt hatte, Guten Tag auf Rätoromanisch hieß, traten sie in das Hotel ein. Hotel war ein großes Wort für das Chalet, das, wie Kati ebenfalls während der Autofahrt von Martha erfahren hatte, nur über fünf Gästezimmer verfügte. Deswegen sei es auch ein Geheimtipp und verfüge nicht einmal über eine Webseite, hatte Martha verschwörerisch angemerkt, und nun fühlte sich Kati sehr speziell. Ein bisschen so, als existierte das Haus nur für sie und wäre ein Teil von ihr, von dem sie gar nicht wusste, dass es ihr gefehlt hatte. In dem Moment, in dem sie es betreten hatte, wusste sie, dass sie nicht das letzte Mal hier gewesen sein würde.

Neben dem Eingang befand sich eine kleine Garderobe, an der eine rote und eine schwarze Jacke mit Reflektoren hingen, darunter Filzpantoffeln in diversen Größen, wohl für die Gäste. Die Haken des Kleiderständers bestanden aus knorrigen, glatt geschliffenen Ästen, daneben lehnte ein mannshoher Spiegel und die Wand schmückten gerahmte kunstvolle Tierfotografien: Hasen, Murmeltiere, Gämsböcke mit ihren Hörnern, Rehe und ein Hirsch mit prächtigem Geweih, alle vor dem spektakulären Hintergrund der alpinen Landschaft. Nach rechts ging ein Zimmer ab; durch die geöffnete Tür sah Kati einen großen Kamin, in dem bereits ein Feuer prasselte, gemütlich aussehende Sessel und einen langen Esstisch, an dem alle Gäste Platz hatten.

»Ich verstehe ja, dass sie wütend auf mich ist«, hörte sie eine Frau sagen und blieb stehen. Martha rumpelte in sie hinein und sah sie fragend an. »Mit dem, was ich getan habe, habe ich sie sehr verletzt, aber wenn Sie Kinder haben, werden Sie wissen, dass man als Eltern immer versucht, sein Kind vor schmerzvollen Erfahrungen zu bewahren. Es ist ein Instinkt.« Es blieb ruhig, als würde sie auf eine Antwort warten. Vielleicht sprach sie aber auch ins Telefon und sie konnten die andere Person einfach nicht hören. Es war Kati unangenehm, das anscheinend sehr intime Gespräch mitgehört zu haben, wenn auch unfreiwillig und obwohl sie aufgrund des Schweizerdeutsch der Unterhaltung vielleicht nicht alles verstanden hatte. Martha hingegen zuckte mit den Schultern und deutete ihr an, weiterzugehen.

»Vielleicht braucht sie einfach noch etwas Zeit?«, sagte dann ein Mann.

»Ich kann nicht mehr lange warten«, antwortete die Frau und klang bodenlos traurig.

Martha verdrehte die Augen und drückte sich an Kati vorbei, die sie erfolglos versuchte, zurückzuhalten, und ihr dann ergeben um die Ecke folgte.

»Oh. Allegra!«, begrüßte sie der Mann, der hinter dem Empfang stand, ein großer Mann, breitschultrig, dunkelblonde Haare, die man wunderbar verwuscheln könnte, und gletscherwasserblaue Augen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte Kati ihn taxiert und setzte ihr Flirtlächeln auf. Sie bemerkte, dass auch Martha dem Charme des Rezeptionisten nicht widerstehen konnte.

»Herzlich willkommen in meinem Hotel.«

Ah, der Besitzer, nicht der Rezeptionist, korrigierte sich Kati. Und die kleine, dünne Dame mit dem Buch in der Hand musste die Frau sein, die irgendwas mit wahrscheinlich ihrer Tochter zu klären hatte. Sie sah zwar nett, aber auch ziemlich abgekämpft aus, die Arme.

»Ich bin Chasper und Sie sind dann wohl …«

»Martha und Kati«, fiel Martha ihm ins Wort, als hätten sie sich gerade als Freunde in der Bar kennengelernt und nicht als Gast und Gastgeber.

Kati lachte und knautschte ihre Haartolle. »Martha Bergmann und Kati Galler.« Sie erkannte ihre Freundin ja gar nicht wieder! Ein bisschen Abstand zu Benni schien die alte Martha zum Vorschein zu bringen, und das freute Kati. So könnte sie die Tage in dieser wunderschönen Umgebung mit diesem einzigartigen Menschen an ihrer Seite genießen, und alles andere würde unter einer dicken Schneedecke begraben werden.

»Soll ich Ihre Koffer ins Zimmer bringen?«, fragte Chasper, Chasper was noch, wie sollten sie ihn denn ansprechen? Oder war das so ein Ding in den Bergen, dass man sich beim Vornamen nannte?

Martha stieß Kati in die Seite. »Wir haben die Koffer im Auto vergessen!« Sie kicherte ausgelassen, was Kati dazu brachte, schmunzelnd den Kopf zu schütteln, und auch der älteren Frau ein Lächeln entlockte.

Chasper sah vom Computer hoch, sein Blick verkeilte sich in Katis, und als ob es sich erschrocken hätte, geriet ihr Herz aus dem Takt und stolperte unbeholfen. Es lag eine freundliche Wärme in seinem von der Alpensonne braun gebrannten Gesicht, und doch umgab ihn etwas, das Kati nicht zu greifen vermochte. Eine gewisse Schwere. Aber vielleicht war es auch einfach die Ruhe, die er ausstrahlte und die zu diesem Ort passte, als hätte er sie geschaffen. Sie wollte sich hineinfallen lassen, in diese Ruhe.

»Ich hol sie gern«, sagte er, aber Martha hatte sie bereits am Ärmel ihrer Jacke gepackt, unter der ihr auf einmal ziemlich warm geworden war, und zog sie ins Freie.

»Meine Güte«, sagte ihre Freundin, kaum waren sie draußen. »Was für ein Mann!«

Die kalte Luft tat gut, so gut; Kati war sicher, dass ihr Gesicht rot war, wie es ihr passierte, wenn sie Sport trieb. Sie drehte sich ein wenig von Martha weg, bückte sich, als müsste sie ihre Stiefel schnüren, presste die Hände kurz in den Schnee und danach an ihre Wangen. Sie hörte, wie Martha den Kofferraum aufschloss und öffnete.

»Und wie er dich angeschaut hat«, fuhr die fort. »Chemie, würde ich sagen. Sparkle, sparkle

Kati drehte sich um und holte ihren Koffer raus. »Blödsinn.«

»Überhaupt nicht.« Martha zwinkerte ihr zu. »Zum Glück bin ich eine verheiratete Frau, sonst wären wir glatt Konkurrentinnen, das sag ich dir. Aber Fremdgehen kommt für mich nicht infrage, keine Chance. Ehrlichkeit ist das Wichtigste in einer Beziehung und einer Freundschaft, nicht wahr?«

»Was … was redest du denn da?«

Martha lachte auf und knallte den Kofferraumdeckel zu. »Du siehst ja aus! Keine Angst, war doch nur Spaß. Der ist bestimmt eh vergeben, und wir sind hier, um uns ein schönes Wochenende zu zweit zu machen, und nicht, um Männer aufzureißen. Also jetzt komm schon, lass uns in die Sauna gehen, die Stille genießen und später ein Gläschen Wein auf der Terrasse trinken, während die Sonne untergeht. Es ist wunderschön hier!«

Das war es tatsächlich, und Martha war einfach nur aufgekratzt, so wie sie es immer war, wenn sie gemeinsam fortfuhren, erinnerte sich Kati und entspannte sich. Versuchte, sich zu entspannen, und folgte Martha wieder in das Chalet hinein.

Wenn aus Winter Wärme wird

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Astrid Töpfner

Astrid Töpfner wurde 1978 in der Schweiz geboren und wohnt sie seit 2005 mit ihrem Mann und den zwei Söhnen in Spanien. In ihren Geschichten spielen oft Familien und deren tief verwurzelte Konflikte eine grosse Rolle; wie unterschiedlich Personen mit Themen wie Liebe, Verlust, Eifersucht oder Schuldgefühlen umgehen. Es sind keine klassischen Liebesromane, aber dennoch spielt die Liebe immer mit - denn ganz ehrlich: Was wären wir schon ohne?

www.astrid-topfner.com / www.instagram.com/astrid_topfner

Astrid Töpfner