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21.12.2024

Wenn aus Winter Wärme wird - Teil 21

Wenn aus Winter Wärme wird – ein Winterroman mit viel Liebe, Spannung und Drama.
Mit ihrem Winterroman ,,Wenn aus Winter Wärme wird " nimmt die Autorin Astrid Töpfner die Leser mit auf eine spannende Reise in die schneebedeckten Schweizer Berge. Tauchen Sie ein in die Winterstimmung mit viel Gefühl und Drama – mit dem Kreuzlingen24-Adventskalender.

16. Dezember

Florian

Martha brach mitten im Satz ab, als Florian Emma ins Zimmer führte, sich die Bettdecke schnappte, die auf dem Boden lag, und Emma in den Sessel drückte, der dem Kamin am nächsten stand.

»Ich bin so müde«, murmelte Emma, schloss die Augen und kuschelte sich in die Decke ein, bis nur noch ihre blonden Haare sichtbar waren. Sanft strich Florian darüber und genoss die Wärme, die vom Feuer ausging.

»Wir haben geredet«, erklärte er Martha, die ihn fragend ansah. »Und es ist furchtbar kalt außerhalb dieses Zimmers.« Rebekka presste die Lippen aufeinander und sah aus, als würde sie gleich wieder in Tränen ausbrechen; was war er doch für ein unsensibler Idiot! Draußen war es noch viel kälter. »Keine Sorge«, sagte er und merkte, dass er es wirklich so meinte. Ein Ruck ging durch ihn hindurch, er spürte es, als wäre er auf einmal ein paar Zentimeter größer. Verantwortlicher, erwachsener, endlich, wurde auch Zeit. Geschäftig sah er sich um. »Sie sind bestimmt schon auf dem Rückweg; wir heizen die Hütte jetzt so richtig ein, ich wollte Teewasser kochen, vielleicht finde ich Wärmeflaschen – habt ihr in euren Badezimmern Wärmeflaschen gesehen? Nein?«

Er öffnete die Glastür des Kamins, stocherte mit dem Haken in der Glut, verschob die halb verbrannten Holzscheite und legte neue obendrauf. Der Abzug funktionierte zum Glück besser, jetzt, wo der Wind den Rauch nicht mehr nach unten drückte, und innerhalb weniger Sekunden prasselte das Feuer wieder fröhlich. Animiert von seinem Erfolg legte Florian noch mehr Holz drauf. Brennen sollte es, brennen!

»Ich helfe dir«, sagte Martha, als hätte er sie mit seinem Aktivismus angesteckt. »Irgendwo wird Chasper wohl einen Schrank mit Bettwäsche und so Zeugs haben, vielleicht versteckt er dort auch Wärmeflaschen und mehr Decken. Vielleicht sollten wir auch versuchen, ein paar der Matratzen aus den Zimmern hierherzuschleppen, falls die nicht zu schwer sind? Wer weiß, wann das Licht zurückkommt und die Heizung wieder funktioniert?« Sie schnappte sich einen Zimtstern, dann noch einen. »Und Hunger hab ich schon wieder.«

»Es hat aufgehört, zu schneien.«

Florian drehte sich zu Rebekka um, die am Fenster stand und hinaussah. Sie bewegte die Lippen, als würde sie lautlos beten, und er musste an den Moment vorhin denken, als er nach dem Telefonat mit Gion geweint hatte. Bitte, bitte, bitte, lass alles gut enden. Wie machtlos er sich gefühlt hatte. Er ging zu ihr hin und umarmte sie; sie schlang ihre Arme um ihn, klein war sie, klein und dünn, dabei, zu verschwinden. Rasch kniff er die Augen zu, um die Tränen zurückzudrängen.

»Alles wird gut«, flüsterte er. »Okay? Alles wird gut.«

Martha hatte tatsächlich zwei Wärmeflaschen gefunden und Florian hatte den fast leeren Samowar mit dem im Kamin gekochten Tee aufgefüllt. Jetzt schälte er Mandarinen und knackte Walnüsse, Emma schlief, Rebekka stand weiterhin am Fenster und Martha stopfte sich mit Plätzchen voll, als gäbe es kein Morgen. Eine der Kerzen erlosch, als deren Lebenszeit abgebrannt war. Es war kurz vor neun. Chasper und Kati waren seit gut einer halben Stunde draußen, Tania noch länger. Langsam müssten sie doch wirklich zurückkommen. Oder waren sie bis ins Dorf hinabgestiegen? Er tippte sein Handy an – kein Netz. Unruhig rutschte er in dem Sessel hin und her. Sollte er doch rausgehen und ihren Fußspuren folgen?

»Hast du mit ihr Schluss gemacht?«, fragte Martha plötzlich.

Florian zuckte zusammen und warf einen Blick zu Emma, aber die schlief tief und fest. »Wir haben beide festgestellt, dass unsere Beziehung sich schon seit Längerem im Sand verläuft«, berichtigte er förmlich.

»Du magst Tania«, sagte sie knapp und warf hinterher: »Da hat der Blitz eingeschlagen.« Florian schüttelte den Kopf, nein, so war es nicht, aber Martha schmunzelte. »Glaub mir, es war nicht zu übersehen.« Dann wurde sie wieder ernst. »Wenigstens hast du sie nicht betrogen.« Sie schnappte sich einen Mandarinenschnitz und biss so heftig darauf, dass der Saft bis zu Florian spritzte. »’tschuldige. Ich bin immer noch so wütend.«

»Verständlich«, murmelte Florian und schälte pflichtbewusst eine weitere Mandarine.

Martha nickte entschlossen. »Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich klammere, wie Kati es nennt, auch wenn das echt negativ klingt. Sie und Benni sind meine Lieblingsmenschen, ist doch logisch, möchte ich viel Zeit mit ihnen verbringen. Und jetzt … haben sie alles kaputt gemacht. Wie soll ich ihnen das jemals verzeihen?«

»Möchtest du ihnen denn verzeihen?«, fragte Rebekka vom Fenster her.

Florian beobachtete, wie Martha schockiert blinzelte.

Ohne den Blick von der Außenwelt abzuwenden, sagte Rebekka: »Wenn du dir die Frage stellt, wie du ihnen verzeihen könntest, bedeutet das doch, dass du es dir grundsätzlich vorstellen kannst. Sonst würdest du sagen, dass du ihnen das niemals verzeihen wirst. Das Herz spricht manchmal schneller als der Kopf.«

»Ich weiß nicht.« Martha zerfleischte einen weiteren Mandarinenschnitz mit ihren Fingernägeln. Der fruchtige Duft erfüllte den Raum wie ein weihnachtlicher Lufterfrischer. »Ich liebe Benni, wir wollten Kinder haben, gemeinsam alt werden. Vielleicht könnte ich ihm verzeihen, aber kann ich ihm wieder vertrauen? Was ist Liebe schon ohne Vertrauen?« Sie presste die Lippen aufeinander und kniff die Augen zu, als sie wohl von ihren Emotionen überwältigt wurde, dann atmete sie tief durch. »Ich weiß es nicht«, wiederholte sie leise und dünn. »Wer bin ich denn noch ohne ihn?«

»Du bist du, Martha«, sagte Rebekka und drehte sich dabei zu ihnen um, sah Martha direkt an. »Definiere dich nicht über andere. Verlust kann dich entweder schwächen oder stärken. Was von beidem, bestimmst letztendlich du, und wie du damit umgehst, auch. Und das betrifft deinen Mann genauso wie …«

»Ay!« Das Licht im Kaminzimmer war so hell, dass Florian die Augen schließen musste. »Der Strom ist zurück«, sagte er überflüssigerweise. Das Radio dudelte eben die letzten Takte von Driving home for Christmas, und oh, das wünschte sich Florian jetzt, nach Hause zu fahren.

»Das Telefon, Flo!«, rief Martha.

»Das muss erst ein paar Minuten laden, bevor …«

»Die Heizungen!«, rief sie bereits weiter. »Wir müssen sie hochdrehen, und …«

»Pscht«, grätschte Rebekka dazwischen, ging zum Radio und drehte es lauter.

»… ist nun auch im letzten Tal der Strom zurückgekehrt, liebe Hörerinnen und Hörer, und falls Sie erst jetzt eingeschaltet haben: Die Schneepflüge sind nach den Schneefällen der letzten Stunden kräftig im Einsatz, aber bis die Straßen und Schienen wieder befahrbar sind, kann es dauern. Ebenso herrscht erhöhte Lawinengefahr. Machen Sie es sich also zu Hause mit einem Glas Glühwein, einem Tee oder einer heißen Schokolade gemütlich, hören Sie Radio und denken Sie daran – in einer Woche ist Weihnachten!«

»Gemütlich machen, macht der Witze?«, knurrte Emma verschlafen. In der großen, weiß bezogenen Bettdecke sah sie aus, als wäre sie in einem Schneehaufen versunken.

Ein unangenehmes Kribbeln zog sich von Florians Scheitel bis in die Zehen, kalt wie eine Vorahnung; stocksteif stand er da und wartete, bis es in den Boden gesickert war.

»Lawinengefahr«, flüsterte Martha.

»Scheiße«, sagte Emma.

»Tania«, sagten Florian und Rebekka gleichzeitig, und dann rannte Florian auch schon los, zur Hintertür raus, den Fußspuren im Schnee folgend.

»Tania!«, schrie er aus voller Kehle. »Chasper, Kati!«

Wenn aus Winter Wärme wird

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Astrid Töpfner

Astrid Töpfner wurde 1978 in der Schweiz geboren und wohnt sie seit 2005 mit ihrem Mann und den zwei Söhnen in Spanien. In ihren Geschichten spielen oft Familien und deren tief verwurzelte Konflikte eine grosse Rolle; wie unterschiedlich Personen mit Themen wie Liebe, Verlust, Eifersucht oder Schuldgefühlen umgehen. Es sind keine klassischen Liebesromane, aber dennoch spielt die Liebe immer mit - denn ganz ehrlich: Was wären wir schon ohne?

www.astrid-topfner.com / www.instagram.com/astrid_topfner

Astrid Töpfner